Paargespräche – Zwiegespräche

02.03.2021

Zwiegespräche für Paare, wie ich sie hier vorstellen möchte wurden von Michael Lukas Moeller entwickelt.

Michael Lukas Moeller war Arzt, Psychoanalytiker, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychohygiene. Besonders war er in den 70er Jahren an dem Aufbau der Selbsthilfebewegung beteiligt. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte er die Zwiegespräche als Selbsthilfemethode für Paare.

Zwiegespräche

Ein Zwiegespräch hat ein bestimmtes Setting, d.h. es hat einige Voraussetzungen, damit es zu einem konstruktiven Gespräch wird, was die Entwicklung des Einzelnen und des Paares fördert.

Termin

Einmal in der Woche trifft sich das Paar für 90 Minuten. Es sollte einen festen Termin dafür ausmachen und auch gleich einen Ersatztermin dafür finden. Falls ein regelmäßiger Termin auf Grund der Alltagsbedingungen (Arbeit) nicht möglich ist, sollte immer am Anfang der Woche ein Termin und Ersatztermin festgelegt werden. Kann einer der Partner nicht, ist dieser dafür verantwortlich die Initiative zu ergreifen und mit dem PartnerIn einen Alternativtermin finden.

Ort

Grundvoraussetzung ist ein ungestörter Ort, an dem das Paar sich gegenüber setzen kann. Also ist Spazieren gehen, die Sauna oder das Restaurant und ähnliches ungeeignet. Die Telefone sollten stumm geschaltet sein, Überraschungsbesuch muss entweder warten, bis das Gespräch vorbei ist oder zu einem anderen Zeitpunkt wieder kommen. Kinder verstehen es etwa ab 4 Jahre, dass die Eltern ein ungestörtes Gespräch haben und sind dankbar dafür, da sie schnell merken, dass es für die Familie gut ist.

Zeitablauf

Das Paar einigt sich, wer beginnt. Jeder hat 15 Minuten Redezeit, in der der Andere nur zuhört. Wenn jemand nichts sagt, wird geschwiegen. Erfahrungsberichten zufolge sind das oft sehr wichtige Zeiten, in denen das Paar sich sehr nahe ist. Dann wird gewechselt.

Inhalt

Jeder redet von sich in der ICH Form. Wenn ein Satz mit man oder womöglich mit Du beginnt, muss er in der Ich – Form wiederholt werden. Die Aufmerksamkeit des Sprechenden bleibt bei sich! Er malt für das Gegenüber sozusagen sein Selbstportrait.

Es gibt keinen Offenbarungszwang, d.h. jeder wählt selbst, über was er/sie reden möchte.

Es wird nicht über Sachthemen gesprochen, sondern über Gefühle. Wie geht es mir im Moment. Wie geht es mir in der Partnerschaft. Wie geht es mir in der Arbeit… Welche Gefühle stehen bei mir im Moment im Vordergrund? Gefühle sind: Freude, Ängste, Zweifel, Wut, Trauer, Scham und Schuldgefühle.

Vorsicht vor der intellektuellen Falle. Erklärungen oder philosophische Abhandlungen sind nicht die eigenen Gefühle!

Welche Wünsche habe ich? Dazu müssen wir wissen, dass wir uns alles wünschen können, aber nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung und der PartnerIn ist nicht für die Erfüllung der Wünsche zuständig.

Die Beschreibungen sollen konkret sein. Am besten sind in kleinen erlebten Szenen. Begriffe wie ich fühle mich toll, schlecht… sind sehr vage und lassen dem Gegenüber ein zu großen Interpretationsspielraum. Dies führt zu Missverständnissen.

Zuhören

Die Aufgabe des Zuhörers ist es wertschätzen, aufmerksam und neugierig zu zuhören.

Fragen

Fragen sind höchstens als Verständnisfragen erlaubt, aber meist lösen sich Verständnisfragen im Laufe des Gesprächs von alleine. Es sollte daher möglichst auf Fragen verzichtet werden, da sie die Tendenz haben im Gegenüber „hinein zu stochern“. Es ist nicht Zweck den Anderen anzupicksen oder zu kolonialisieren, ihn also von der eigenen Meinung zu überzeugen.

Abschluss

Wenn die Zeit des Gespräches abgelaufen ist, wird das Gespräch beendet. An diesem Tag dürfen auch keine Bemerkungen, Fragen oder ähnliches zu dem Gespräch gestellt werden. Es soll bei jedem in Ruhe sacken können.

Widerstände

Das Unbewusste wird immer wieder Gründe finden, warum das Gespräch in dieser Form jetzt nicht stattfinden kann, verkürzt wird oder überhaupt doof ist.

Diese Gespräche bedeuten Veränderung und jede Veränderung wird von Ängsten begleitet, denen wir gerne ausweichen. Das sind Widerstände. Auch dies kann als Thema für ein Zwiegespräch genommen werden, wie fühle ich mich bei den Gesprächen, was macht mir Angst, was macht mir Freude…

Es wird euphorische Phasen geben und auch Phasen, in denen das Paar das Gefühl hat, dass nichts passiert. Das gehört zu jedem Prozess. Wie es heute ist, gilt deshalb nicht für nächste Woche, da ist alles wieder anders. Jeder einzelne verändert sich durch die Zwiegespräche und das Paar ändert sich als Paar.

Eine andere Form des Widerstandes ist es, wenn sich schleichend das Gespräche von einem ich rede über mich zu einem Gespräch über Organisation oder Sachthemen verändert.

Derjenige, der einen Widerstand merkt muss es im nächsten Zwiegespräch zum Thema machen, mit samt seinen Gefühlen, die dies ihm macht.

Veränderung

Die meisten Paare berichten von einer positiven Veränderung in der Alltagskommunikation. Das Pingpong, die Kolonialisierung und die Rechthaberei wird geringer. Ebenso lernen sich die Paare besser kennen, selbst wenn sie schon lange zusammen leben. Auch jeder einzelne entdeckt durch das Selbstportraitieren Neues über sich.

Aber das Wichtigste ist die Regelmäßigkeit der Zwiegespräche. Um die Nützlichkeit zu erfahren sollte eine Probezeit mindestens 3 Monate dauern, bevor ein Resümee gezogen wird. Auch bei längeren Zwiegesprächen ist ab und zu ein Rückblick sinnvoll. Was ist gewesen? Was war für jeden einzelnen wichtig? Halten sich unsere Zwiegespräche noch an die Regeln?

Zum Weiterlesen

Michael Lukas Moeller, die Wahrheit beginnt zu zweit, Rowohlt Verlag, 1992