Die Hindu-Religionen

08.06.2020

Im letzten Blog habe ich über den Hinduismus eine Einführung gegeben. Jetzt möchte ich die einzelnen Richtungen in kürze Darstellen. Dadurch wird deutlich, wie unterschiedlich dieser Glaube sein kann. Diese Vielfältigkeit erklärt aber auch die große Toleranz des Hinduismus, denn das Fremde gehört der eigenen Religion an. Der fundamentalistische Hinduismus ist eine Entwicklung der neuesten Zeit, die machtpolitisch zu sehen ist.

Zu unterscheiden sind drei hinduistische Richtungen, die wiederum in verschiedene Schulen zu unterteilen sind.

Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus

Es gibt sechs Schulen, die aus den Veden entstanden sind.

Nayaya

Nayaya, ist ein System der reinen Logik. Das höchste Ziel des Lebens ist die Befreiung. Die Welt umfasst ein ununterbrochener Fluss von Missverständnissen, Fehlern, Schmerz und Sorge. Um diese Kette zu unterbrechen ist wahres Wissen notwendig. Das ist das Ziel von Nyaya.

Die Nyayasutra von Gautama sagt, dass der Zustand der Befreiung nur durch das Wissen der Hindernisse zu erreichen ist. Dabei ist das Wissen über die wahre Natur der Hindernisse wesentlich. Diese Einzelheiten werden in seinem Werk beschrieben.

Vaisesika

Vaisesika, wurde von dem Heiligen Kanada gegründet. Es stellt neun Realitäten in den Vordergrund. Die neun Realitäten sind – Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther (5 tattvas, Elemente) und Zeit, Raum, Seele und Verstand. Alles, was ist, ist eine Kombination dieser neun immerwährenden Realitäten. Darauf beruht das gesamte Wissen. Vaisesika erklärt, wie die verschiedenen Realitäten zu verstehen sind. Es ist sehr schwierig zu studieren.

Samkhya

Samkhya wurde von dem Heiligen Kapila gegründet. Samkhya verkündet das Prinzip der kosmischen Evolution. Als Philosophie handelt Samkhya mit der empirischen Welt, die von den Regeln der Gründe regiert wird.

Wir brauchen Wissen, um menschliches Leid für immer zu überwinden. Dieses Wissen stellt die Philosophie des Samkhya bereit. Von allem Leiden ist das Leid der Seele das Schlimmste. Die Basis dieses Leids ist die Verbindung der Seele mit dem Körper. Wenn wir die wahre Natur der Beziehung von Körper und Seele wissen, wird die Seele von dem Körper frei sein und das Leid wird für immer verschwinden.

Samkhya geht von zwei immerwährenden Realitäten aus – der Seele und der Materie – purusha und prakriti. Purusha ist die Seele des Universums und prakriti ist die unverursachte Ursache (uncaused cause). Ursache und Wirkung sind nur verschiedene Stadien vom Gleichen. Der Prozess der Evolution ist unendlich.

Für die Samkhya Philosophie sind die drei Gunas die drei Qualitäten, und Mahat, die kosmische Intelligenz, wichtig. Sie glaubt, dass Mahat die erste Bewegung ist, die aus der das Universum entstand. Die Qualitäten sind Sattva, die Reinheit, Klarheit, Güte und Harmonie; Rajas, die Energie, Bewegung, Leidenschaft und derTrieb; Tamas, die Trägheit, das Dunkle und Schwere.

Yoga

Yoga ist der individuelle Aspekt des Samkhya Systems. Die Yoga Philosophie basiert auf dem Samkhya. Yui heißt verbinden. Gemeint ist die Vereinigung der individuellen Seele (atman) mit der universellen Seele (paramatman). Das höchste Ziel des Yoga ist es den Menschen von Sorge und Leid zu befreien. Es geht von der gleichen Kosmologie wie das Samkhya System aus. Aber während Samkhya sich auf die allgemeine, universale Natur bezieht, befasst das Yoga sich mit der individuelle Natur. Gemäß dem Yoga ist die Manifestation eines Individuums die Reduzierung der universalen Kräfte auf ein individuelles Prinzip. Die individuelle Seele ist das Selbe wie die universale Seele.

Pantanjali beschreibt den achtfachen Weg des Yoga. Durch diesen Weg wird die menschliche Seele mit der universalen Seele verbunden. Das Yogasystem sagt, das es nur eine Kraft gibt, die das ganze Universum regiert und die Natur bewegt. Diese Kraft ist das Leben, eine unsichtbare Kraft, die die Seele und die Materie verbindet. Und dieses Leben ist nicht eine Schöpfung von etwas, sondern eine Manifestation.

Mimamsa

Mimamsa, gegründet von Jaimini, beschäftigt sich nicht mit irgendeiner philosophischen Analyse der letzlichen Realität. Es verneint nicht die Existenz von Seele und Materie, aber beschäftigt sich nicht mit deren Beziehung zueinander.

Die Basis von Mimasa ist die richtige Handlung. Sie ist ein Ergebnis des richtigen Wissen. Das wichtigste im Mimanmsa ist die Erlösung. Kontemplation ist nicht erforderlich. Kontemplation kann zur Erleuchtung führen, aber nicht zur Erlösung. Erlösung wird nur durch rituelle Praxis erlangt.

Vedanta

Vedanta ist eine Erkundung der Natur, der letzlichen Realität, die Brahman genannt wird. Vedanta sagt, dass es nur ein endliches Prinzip gibt, das in vielfacher Form erscheint. Die Analyse des Prozesses der kosmischen Evolution ist ähnlich wie die im Samkhya.

Vedanta bedeutet ultimatives Wissen. Zu der Literatur des Vedanta gehören auch die Upanishads und die Brahmasutra. Sie behandeln die Natur der Beziehung von Gott, der Welt und der Seele. Der menschliche Intellekt kann niemals das universale Prinzip, Brahman, verstehen. Die Vedas sind die Übergeordnete Autorität. Alle erschaffenen Dinge kommen von Brahman, der der Erschaffer, der Erhalter und der Zerstörer von Allem ist.

Atman, das individuelle göttliche, ist ein Funke von Brahman und der einzige Unterschied zwischen Mensch und Gott ist ein gradueller.

Volksreligionen

Volksreligionen der Regionen und Religionen sozialer Gemeinschaften (Subkasten, Kasten, Stamm) sind sehr unterschiedlich. Sie können polytheistisch (mehrere Götter) oder animistische sein und sind meist lokal begrenzt. Sie steht öfters in einer Spannung zum brahmanischen Hinduismus. Im populären Hinduismus mischen sich Formen des brahmanischen Sanskrit-Hinduismus mit volksreligiösen Anteilen. Im Rahmen meines Praktikums habe ich 1988 einen Tempel besucht, in dem Tieropfer gebracht waren.

Gestiftete Religionen

Gestiftete Religionen sind meist asketische, oft antibrahmanische, manchmal missionierende Erlösungsreligionen. Oft sind das mönchsartige Gemeinschaften mit einem Stifter, der die grundlegenden Texte für die Gemeinschaft geschrieben hat.

Es gibt drei sich überschneidende Untergruppen

  1. Sektenreligionen: z. b. vishnuitische Sekten, shivaitische Sekten
  2. Synkretische Stifterreligionen: hindu-muslimische (Sikhismus), hindu-buddhistische (Newar-Buddhismus), hindu-christliche Mischreligionen, ethische Neohinduismus (Ramakrshna, Vivekananda, Sri Aurobindo, Theosophische Gesellschaft…)
  3. Missionierende Stifterreligionen „Guruismus“, in Indien entstanden, aber auch im Westen verbreitete, von charismatischen Personen (Gurus) begründete Religionsgruppierungen mit überwiegend englischen, esoterischen Schriften der Gurus: Maharishi Mahesh Yogi und die Transzendentale Meditation, Satya Sai Baba und die Satya Sai Vereinigung, Bhaktivedanta Svami Prabhupada und ISKCON, Guru Maharaj Ji und die Divine Light Mission, Rajnesh Chandra Mohan und die Sanyasi-Bewegung in Poona, etc.

Formen der hinduistischen Religiosität

Ritualismus

Die häufigen und teilweise aufwändige Rituale, die in der Regel unter Mithilfe von Priestern durchgeführt werden sind heilsbringend. Neben dem vedisch-brahmanischen Haus- und Opferritualismus, dem hoch und kleintraditionellen Tempelritualismus und dem Kastenritualismus sind hierzu auch Formen des Tantrismus zu zählen.

Spriritualismus

Intellektualistische, mitunter atheistische Erlösungslehren, deren Hauptziel die eigene, individuelle Befreiung ist, ohne dass es dazu unbedingt fester religiöser Organisationsformen oder Rituale bedarf. Ein einweisender, spiritueller Lehrers (Guru) ist oft nötig. Dies findet sich z. B. im Advaitavedanta, Tantrismus und modernen, esoterischen Guruismus.

Devotionalismus

Eine hingebungsvolle, oft mystische Verehrung eines Gottes (und seiner Gefährtin) durch Lieder und mythologischen Texten. Es wird bevorzugt von Frauen praktiziert. Nicht so sehr Opfer, Rituale, Askese oder Wissen sind gefordert, sondern das Herz, Poesie, Musikalität oder Tanz. Priester sind nicht unbedingt erforderlich. Dies ist Bhakti-Religiosität, bekannt ist im Westen die Hare-Krishna Sekte.

Heroismus

Dies ist eine ist Religionsform, die in polytheistische, militärische Traditionen verhaftete ist. Der Heldentod wird vergöttlicht, ebenso wie spezielle Totenkulte (einschließlich Witwenverbrennung) und Anzeichen von Märtyrertum. Die Anhänger berufen sich oft das Mahabharata- oder Ramayana Epos. Beispiel Ramaismus, oder Teile des politischen Hinduismus.

Hinduistische Religiositätsformen und Hindu-Religionen treten nicht ungemischt auf. Mitunter sind die Unterschiede sogar geringer als die Gemeinsamkeiten.

That is all the same.

Quelle

Guidedlines to the Study of Hinduismus, Chetana PVT.LTD

Zum weiterlesen

Michaels Axel, Der Hinduismus, München, 1998