Mein Menschenbild (Teil 2)

21.03.2016

Mein Weg zur Gestalttherapie

Zu Beginn meines Psychologie-Studiums wollte ich Psychoanalytikerin werden und die Ausbildung in einem bestimmten Institut absolvieren. Nachdem ich mit Yoga begonnen hatte und anfing, mich mit indischer Philosophie zu beschäftigen, hatte ich das Gefühl, mich zwischen Indien und der Psychoanalyse entscheiden zu müssen. Die Menschenbilder der indischen Philosophie und der Psychoanalyse passten für mich nicht zusammen. Ich entschied mich für Indien und musste mich nun nach einer neuen therapeutischen Richtung umsehen.

Über die Systemische Therapie gelangte ich dann zur Gestalttherapie. Sie gehört zur humanistischen Psychologie.

Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Schon im Setting wird dies deutlich. Der Hilfesuchende wird in der Regel als Klient bezeichnet, was der Ausdruck einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist. Es ist ein Setting im Sitzen und findet einmal die Woche statt. So wird starke Regression vermieden.

Vergangenheit und Gegenwart in der Therapie und im Yoga

Die Arbeit im Hier und Jetzt, in der Gegenwart, steht im Mittelpunkt. Die Vergangenheit ist wichtig, wenn sie uns in der Gegenwart beeinträchtigt. Die Vergangenheit wird sowohl mit den schönen, starken als auch den schwierigen Anteilen gewürdigt. Über den Bezug zu dem heutigen Erleben und Kontakt in der Beziehung zum Therapeuten kann die Vergangenheit in neuem Licht betrachtet und auf diese Weise abgeschlossen werden. Damit steht der Weg für neue Verhaltens- und Gefühlsmuster offen.

Auch in der indischen Philosophie ist das Hier und Jetzt besonders wichtig. Mit Gurudev Shree Chitrabhanu bin ich mir immer einig, dass es wichtig ist, über die Vergangenheit hinauszugehen, sie also nicht zu verdrängen, und ganz in der Gegenwart zu leben, nur über die Wege sind wir uns nicht einig geworden. Da war für mich immer der westliche psychologische Ansatz bedeutsam.

Lösungen und Emotionen

Besonders wichtig war und ist für mich, dass jedem Menschen seine eigene Lösungsmöglichkeit zugestanden wird. Es wird immer das persönliche Umfeld mit einbezogen. Gerade die Unterschiedlichkeiten der „Welten“ sind bedeutsam. Über das Respektieren der verschiedenen „Welten“ ist Kontakt möglich.

Die häufig gestellte Frage “Was erlebst du jetzt?“ bezieht sich auf alle Ebenen, also die körperlich, emotionale und intellektuelle Ebene, wobei der emotionalen Ebene eine besondere Bedeutung zukommt.

Achtsamkeit

Die Arbeit in der Gegenwart wird durch geschulte Achtsamkeit oder auch Gewahrsamkeit (Awareness) gefördert. Dies ist in jeder indischen Philosophie wichtig. Dabei spielt die Meditation eine große Rolle. Sie soll als Erstes die Fähigkeit fördern, mit der Aufmerksamkeit bei einer Sache zu bleiben. (Was für ein schwieriges Unterfangen!) Das führt zu mehr Achtsamkeit im Alltag. Im Yoga versuchen wir, die Konzentration über die Körperarbeit zu erreichen.

Zum Weiterlesen:
Dreitzel, Hans Peter; Reflexive Sinnlichkeit; EHP, Köln 1992