Gurudev Shree Chitrabhanu – Nachruf

22.04.2019

Am Freitag den 19. April 2019 hat Gurudev Shree Chitrabhanuji; mein langjähriger Guru, diese Welt verlassen und ist weiter gewandert.

Biographie

Kindheit

Chitrabhanu wurde am 26. Juli 1922 in Rajasthan geboren und wuchs in Südindien auf. Er hatte eine jüngere Schwester. Die Familie stand sich sehr nahe und gehörte der Jain Community an.

Als er 4 Jahre alt war starb seine Mutter und 7 Jahre später seine Schwester, die er sehr liebte. Dies waren einschneidende Erlebnisse in seiner Kindheit. Dadurch stellte sich ihm schon früh die Frage, wohin die Menschen nach dem Tod gehen. Mit 19 verlor er eine Herzensfreundin, was diese Frage nochmals intensivierte.

Danach machte er sich auf die Suche nach einem Guru, Lehrer, um dieser Frage nach dem woher und wohin im Leben auf den Grund zu gehen. Er suchte dabei nicht nur unter den Jain Gurus, sondern auch unter damals berühmten Hindu Gurus, z.B. Shree Aurobindo und Shri Raman Maharsh.

Er fand dann seinen Guru, den Jain Acharya Anand Sagarsuriji, während einer Pilgerschaft in Palitana, Gujarat. Dort nahm er dann im Alter von 20 Jahren Diksha, die Mönchsgelübte.

Mönch, Acharya

Nachdem seine Fragen so existentiell waren, schlug sein Guru ihm eine längere Zeit des Schweigens vor. Er kommunizierte nur noch über das geschriebene Wort, außer mit seinem Guru. Fünf Jahre konzentrierte er sich auf das Studium der heiligen Bücher und die Meditation. So sammelte er Kräfte jeglicher Art.

In diesen Jahren der intensiven Meditation schuf er das Lied Maitri Bhavanu, in dem er die ihm wichtigsten Dinge der Jain Philosophie komprimiert ausdrückte. Dieses Lied wird bis heute in den Schulen von Gujarat unterrichtet.

Danach begann er Vorträge zuhalten und wurde bald über die Grenzen der Jain Community berühmt. Später wurde er Acharya, ein spiritueller Führer für die Mönche und Laien. Jain Mönche dürfen in kein Fahrzeug steigen, da sie dann nicht die kleinen Tiere am Weg sehen und schützen können. So ist er in seiner Zeit als Mönch sicher um die 50 000 km gegangen.

Ahimsa, die Gewaltlosigkeit zu lehren und zu verbreiten war sein großes Ziel, dafür hat er sich sein Leben lang eingesetzt.

In den 60er Jahren ging er nach Mumbai, um dort zu wirken. Er bewirkte, dass die Schlachthäuser in Mumbai bis heute an den höchsten Feiertagen der verschiedenen Religionen geschlossen bleiben.

Er war in Mumbai in allen Bevölkerungsgruppen berühmt und hat unter anderem Vorträge am Chowpatty Beach, einem großen Strand in der Innenstadt Mumbais, gehalten. Schon dabei hat er sich über die strengen Ordensregeln hinweg gesetzt, indem er ein Mikrophon benützte, da die vielen Menschen ihn sonst nicht gehört hätten.

Auf seine Initiative wurde die Divine Knowledge Society gegründet, die seine Bücher veröffentlichte und auch Räume für seine Lehre und gemeinsame Meditation bot. Ebenso engagierte sich diese Organisation im sozialen Bereich, sammelt Gelder für soziale Projekte, Kliniken etc.

Durch die Veröffentlichungen wurde die Welt auf ihn aufmerksam.

Guru auf der ganzen Welt

Die große Veränderung kam, als er auf 1968 zur „Spiritual Summit Conferece“ in Calcutta eingeladen wurde. Da er nicht hinfahren konnte, er durfte ja nicht in ein Fahrzeug steigen, schickte er einen Schüler mit seinem Vortrag hin.

Zur zweite Konferenz, die 1970 in Genf stattfand, entschied sich Gurudev selbst zu fahren. Was für ein Aufstand in der Community! Er hat als Acharya mit der alten Tradition gebrochen.

Einmal unterwegs, besuchte er mehrere weiter europäische Länder. Nach sechs Wochen kehrte er nach Mumbai zurück.

Nachdem diese Reise die Community zutiefst verstörte und fast spaltete, entschied sich Gurudev nach langer Überlegung dazu, seinen Posten als Acharya und sein Mönchtum zurück zugeben.

Er heiratete dann Pramodaji, ging nach Amerika und lehrte, bis zum Rentenalter, an der Universität in New York Indologie und vergleichende Religionswissenschaften. Mit Pramodaji hat er zwei Kinder bekommen. Inzwischen sind sie groß und er hat vier Enkelkinder.

Die Jain Communities auf der ganzen Welt waren froh endlich einen spirituellen Lehrer vor Ort zu haben. So reiste er viele Jahre durch die ganze Welt und ermutigte die Jains sich in Communities zu organisieren, Vorträge und Feiern zu veranstalten. So gehen über 50 Communities weltweit auf seine Initiative zurück.

Ab dem Rentenalter lebte er im Winter in Mumbai und im Sommer in New York. Wobei die Zeit auf beiden Kontinenten immer durch viele Vorträge in der ganze Welt unterbrochen wurde.

Meine Begegnungen mit Gurudev

Ich war auf der Suche nach einem spirituellen Lehrer, als ich 1988 Gurudev durch einen Freund in Mumbai kennen lernte. Gleich hatte ich das Gefühl angekommen zu sein, das mich auch all die Jahre nicht verlassen hat.

Zu Beginn war eine wichtige Erfahrung für mich, dass ich von ihm nicht zur Schülerschaft gedrängt wurde, sondern er mir Zeit ließ, dies zu überdenken und zu entscheiden.

Wichtig war für mich auch, dass es ein persönlicher Kontakt war und blieb, es war immer eine Begegnung zwischen mir und ihm. In anderen Ashrams in Indien habe ich die fatale Gruppendynamik kennen gelernt, vor der ich nur weglaufen konnte.

Immer legte Gurudev darauf wert, dass ich nicht einfach alles schlucke, was er mir lehrte, sondern, dass ich darauf rum kauen, es verdauen und so zu dem Eigenen machen konnte. Blinder Glaube und gedankenloses Folgen war nicht sein Ziel.

Er sagte auch immer, dass es nicht darum geht zu glauben, sondern zu erfahren. Bücher sind wichtig, um dem Geist mit guten Gedanken zu füttern, aber wichtiger ist die Erfahrung. Er war immer bodenständig, pragmatisch und nicht abgehoben.

Ich hatte immer ein sehr persönlicher Kontakt zu Chitrabanuji. Er hat mich in vielen Lebensfragen unterstütz und gefördert. Er hat mir immer sehr viel zugetraut, so dass ich mir auch mehr zutrauen konnte. So ermutigte er mich die Praxis und Yogaschule zu eröffnen.

Ich bin zutiefst dankbar für die über dreißig Jahre, die er mich in meinem Leben begleitet hat.

So verabschiede ich mich von seiner sterblichen Hülle, in der Gewissheit, dass unsere Seelen verbunden bleiben.

Mit einem tiefen Pranam, einer Verbeugung,

Trupti

Edeltraut Pandya

Zum Weiterlesen

Das Lied Maitri Bhavanu mit Komentar gibt es als deutsche Übersetzung in der Praxis Pandya unter dem Titel „Der wohltuende Strom der Freundschaft“.