Die Kraft der Wut

15.04.2019

Wut wird in den meisten Kulturen als verwerflich abgelehnt. Ich möchte sie in diesem Blog jedoch differenzierter betrachten.

Aussage Richtung der Wut

Wut entsteht durch das Gefühl “das ist falsch“. Diese Aussage erfordert eine klare Position, denn sonst kann ich nicht etwas als falsch zu meiner Position beurteilen. Die Grundvoraussetzung für Wut ist damit eine eigene Meinung. Dies ist keine Aussage darüber, ob die Meinung objektiv richtig oder falsch ist, sondern es ist eine rein subjektive Stellung.

Wichtig ist die Art und Weise, wie und in welcher Stärke die Wut ausgedrückt wird.

Verschiedene Stärken der Wut

Zuviel

Das, was Wut so in Misskredit bringt, ist das Zuviel an Wut. Es sind z.B. cholerische Wutausbrüche, oder das „blind vor Wut“ sein. Dieser Ausdruck zeigt schon, dass die Klarheit durch das Zuviel getrübt wird. Wir werden in diesem Fall von den Gefühlen beherrscht und sind nicht mehr Herr unserer Gefühle.

Wir haben auch hier keine wirkliche Handlungsfreiheit, sonder lassen uns von der Wut beherrschen. Dies ist der zerstörerische Anteil der Wut. Häufig tut es uns unsere Reaktion leid, aber wir können es nicht mehr zurück nehmen. Manches bleibt in einer Beziehung unwiderruflich angeknackst.

Zuwenig

Ein Zuwenig an Wut macht uns zwar zu friedlichen Menschen, jedoch schränkt dies auch unsere Handlungsfähigkeit ein. Wenn wir besonders friedlich sein möchten, versuchen wir es unseren Mitmenschen besonders recht zu machen.

So orientieren wir uns nach außen und übersehen leicht unsere eigenen Interessen. Wir werden zum Spielball Anderer und haben kein Durchsetzungsvermögen. Dies ist aber nicht möglich, wie folgendes Sprichwort bestätigt. „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“

Da aber dadurch keineswegs unsere eigenen Interessen wegfallen, fühlen wir uns hilflos und reagieren mit Trauer. Die Kraft, die eigentlich nach außen gerichtet sein sollte, richten wir gegen uns selbst. In der Gestalttherapie wird dies als Retroflexion bezeichnet. So fallen wir vielleicht in eine depressive Verstimmung oder/und versuchen mit subtilen Mitteln unsere Mitmenschen zu manipulieren, um unsere eigenen Interessen durch zu setzten.

Zusätzlich kommt noch dazu, dass wir mit diesem Zuwenig an Wut keine klare Position einnehmen. Wir sehen nichts als wirklich falsch aber auch nicht als richtig an. Wie können wir, in einer solchen Ambivalenz, mit ganzem Herzen, unserer ganzen Kraft und Freude ein Ziel verfolgen?

Auch Beziehungen benötigen eine klare Position und die Vertretung eigener Interessen. Natürlich sind immer Kompromisse notwendig, aber diese müssen ausgehandelt werden. Ohne die Klarheit werden sie tolerant unter den Teppich gekehrt und kommen subtil oder explosionsartig darunter hervor!

Ausblick

Kulturabhängig und genderabhängig ist Wut mehr oder weniger gesellschaftlich geachtet bis unerwünscht. Ein Manager sollte sich durchsetzten können. Eine starke Frau wird bewundert. Ist es jedoch ein bisschen zu viel (wer bestimmt das?), kann sie leicht als Frau „mit Haaren auf den Zähnen“ oder als hysterisch degradiert werden.

Wir benötigen ein gesundes Maß an Wut, um eine klare Position einnehmen zu können. Diese ist notwendig, um mit Leidenschaft sich für eine Sache oder Beziehung einsetzen zu können.

Zum Abschluss noch ein Zitat von Aesop, der ca. 500 v. Chr. gelebt hat. „Willst du es allen recht machen, so machst du es niemandem recht.“

Zum weiterlesen

Gefühl und Emotion

Die Kraft der Trauer

Amana Virani, Gefühle Eine Gebrauchsanweisung, 2007, München